Hallo,
jeder Jeck ist anders. Unsere waren die wahrsten Engelchen, als sie so klein waren; sie haben zwar ab und zu Blödsinn gemacht, aber sie waren eigentlich immer guter Laune und so lieb zueinander, daß es eine wahre Wonne war.
Aber nun, da sie 9 Jahre alt sind, sind sie derartig kratzbürstig, streitbar, eifersüchtig, unfreundlich und aufbrausend, daß der Ärger all diese schönen Erinnerungen überlagert. Amalia, die früher immer friedfertig, gut gelaunt, zärtlich und lieb war, ist jetzt reizbar und keift bei jeder kleinen Unbill in einer ekelhaften Frequenz herum, die einem das Trommelfell entzündet; die Anschiegsamkeit hat sich zu einer klebrigen Aufdringlichkeit entwickelt. Friedrich, der lustig, witzig und immer gut drauf war, macht Scherze auf die Kosten anderer, seine Witze werden immer rüpeliger und prolliger, und er ist am allerglücklichsten, wenn er mit seinen Provokationen die Mädchen zum Heulen und Selim und mich zum Ausrasten gebracht hat. Nur Elisabeth ist einigermaßen gleich geblieben; sie kann zwar manchmal nervtötend nölen, aber wenigstens hat sie nicht dermaßen abscheuliche Verhaltensweisen drauf wie die anderen.
Sie streiten um Geld - wegen 5 Cents werden sie zum Judas. Sie schwärzen ihre Geschwister an, bestehlen einander und beschuldigen einander genau dessen; wenn sie ihr Geld verlieren, was sie dauernd tun, wird sofort schnell ein Schuldiger gefunden - "Mama, wir haben einen Dieb im Haus! Die Amalia hat mir MEINE 20 Cents gestohlen!". Sie singen unanständige Lieder mit Minimalmelodien, die allein durch ihre DUMMHEIT mich zur Weißlut bringen, und bei der geringsten Streitigkeit kommen sofort Worte wie "du Arschloch", "Halt's Maul, Hurensohn!". Wer erwischt wird, muß zur Strafe ein Klo putzen; soviele Klos, wie Friedrich putzen müßte, gibt's in ganz Istanbul nicht. Sie streiten ums Aufräumen, um irgendwelche blöden Haarspangen oder Socken (MEINE!!!), darum, wer als erster aufgestanden ist (Ich!!!) und einfach um jeden Scheiß. Jetzt gerade sitzen sie hinter mir und streiten darum, wer als letzter im Kinderzimmer aufgeräumt habe, wer mit dem Hund spazierengehen dürfe und wer total blöd sei.
Früher hatten sie Phantasie und dachten sich schöne Spiele aus; inzwischen nörgeln sie, warum sie nicht Computer spielen dürfen, sie wollen dauernd irgendwelche blöden Filme schauen, sie malen und musizieren nicht mehr sondern streiten und diskutieren nur noch. Jetzt grade heult Amalia hinter mir in den fiesesten Jaultönen, weil Friedrich sie provoziert hat, und Friedrich bedrängt mich, er wolle gehen, Baklava zu kaufen. Das ist noch sowas. Wenn ihre Gedanken sich nicht gerade um Geld oder die Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten ihrer Geschwister drehen, geht's um Süßigkeiten. Wir schicken sie zum Einkaufen, sie nehmen ohne zu fragen, das Wechselgeld und kaufen sich Süßigkeiten. Gerade habe ich Amalia rausgeschmissen, weil sie absolut ohrenzerreißend kreischte; Elisabeth muß sofort irgendwelche Kommentare dazu abgeben, wie beschissen sich ihre Geschwister benehmen und wie gut sie selbst sich benimmt.
Es ist das reinste Tollhaus!!!!!
Jetzt habe ich Friedrich zu Selim in den Laden geschickt, damit er dort Mathematik üben soll. Wer nicht hören will, muß rechnen.
Ich hoffe nur, es bessert sich wieder!
Diese Art übler Dynamik hat es in sich, sich aufzuschaukeln, durch das ekelhafte Verhalten der Kinder werden Selim und ich immer reizbarer und unfreundlicher, und dadurch, daß wir ihnen gegenüber aufbrausend und abweisend reagieren, werden sie noch frecher und streitsüchtiger. Und das wiederum tzermürbt Selim und mir noch den letzten Nerv. Aber ich kann sie doch auch nicht ununterbrochen bespaßen, nur damit der liebe Frieden gewahrt wird. Jetzt sind Amalia und Friedrich weg, und Elisabeth tritt aus Langeweile gegen die Tür des Bücherschranks.
Oh, wie sehne ich die Schule herbei!!!! Selbst wenn wir dann wieder um 06.45 aufstehen müssen und es kalt und regnerisch ist in Brüssel....
Ach nee, was waren sie doch süüüüß, als sie so klein waren.
Alles Liebe,
Eva