Hallo,
was das Fleisch anbelangt, versuchen wir eher, den Fleischkonsum zu reduzieren, als nur bio zu kaufen. Nicht, weil ich kein Bio will, sondern weil keiner der drei Metzger in unserem Stadteil welches anbietet. Das Gleiche gilt fürs Gemüse - auf dem Markt gibt es kein Bio (da gehe ich hin), wenn Selim in den Supermarkt geht, gibt es manche Gemüse und Obst als Bioprodukte, aber längst nicht alle. Es gibt in Brüssel einen Bioladen, der liegt aber weit weg. Es ist schon ziemlich viel für Leute ausgelegt, die Auto fahren, und das tun wir halt nicht.
Sagen wir mal so, Fertigfraß und Zucker zu vermeiden ist einfach, also tun wir's, und konsequent bio zu kaufen und auf Fleisch zu verzichten, ist nicht so einfach (wegen Mangel an Angebot/bio und Mangel an Phantasie beim Kochen/vegetarisch), also tun wir es bis zu einem bestimmten Grad. Regional und jahreszeitangepaßt zu kaufen ist einfacher, also tun wir das schon eher konsequent.
Natürlich kaufen die Kinder hinter meinem Rücken Zuckerzeug, und sie kommen auch nicht auf den Gedanken, es heimlich zu tun, sondern erzählen es mir triumphierend, nach dem Motto "Da siehst du mal, wir machen es trotzdem!". Aber ich denke, die Gesamtmenge ist schon weniger, und langfristig wird die Zuckerfresserei sicherlich weniger zur Gewohnheit, als wenn sie von Zuhause mitbekämen, daß Limonaden und überzuckerte Fertiggerichte die Norm seien anstatt einer ungesunden Ausnahme. Im Endeffekt ist es doch besser, sie ziehen sich das Zeug außer Haus rein, soweit es das Taschengeld zuläßt als außer Hause UND Zuhause, oder?
Was die Überfluß- und Konsumgesellschaft anbelangt, muß ich zugeben, daß ich ratlos bin, was man als Einzelner da noch machen kann. Wahrscheinlich war es in den Siebzigern, als ich aufwuchs, auch schon schlimm, aber ich kann mich noch daran erinnern, mich über ein Geschenk, ein Buch oder ein Kleidungsstück, tagelang gefreut zu haben. Inzwischen macht mir irgendwas Neues gar keine Freude mehr - man hat ja schon soviel Krempel; es ist eher lästig, wohin damit?
Mit den Kindern ist es ähnlich; sie bekommen zum Geburtstag und zu Weihnachten und auch zwischendurch Geschenke, aber ich habe manchmal das Gefühl, daß sie sie eigentlich gar nicht brauchen können und sich nur pflichtschuldigst freuen, um nicht undankbar zu sein. Oft ist das Geschenk dann schon nach ein paar Tagen oder Wochen kaputt, ohne daß irgendjemand das bedauert. Oder sie verlieren es, oder was auch immer. Ich habe manchmal das Gefühl, die Flut an Sachen, die einem so ins Haus kommen, gar nicht mehr steuern zu können. Früher haben wir Sachen gesammelt; wir haben eine Bibliothek von mehreren tausend Bänden und so Zeug; inzwischen denke ich, wie werde ich das alles wieder los? Wir haben mengenweise Töpfe, Geschirr, Teppiche, Schallplatten und so weiter - und das Befremdlichste an der Sache ist - wir haben nichts davon gekauft. Es KOMMT einfach alles so. Mal gewinnt Amalia bei einer Tombola eine Friteuse, mal sagt irgendein Freund, "Den Teppich brauche ich sowieso nicht, der ist für dich", als meine Oma gestorben ist, hab ich sinnlosen Krempel behalten, weil er mich an sie erinnert; ich habe vier Nähmaschinen, von denen drei kaputt sind, aber ich schaffe es nicht, sie auseinanderzubauen und zur Reparatur zu bringen...und so weiter und so fort. Selim kann nichts wegschmeißen, das kommt erschwerend hinzu.
Wenn die Kinder ihre Sachen aufräumen müssen, ob Kleider, Bücher oder Spielsachen, streiten sie sich und behaupten alle "das ist nicht meins!". Am konsequentesten ist Yusuf, der hat außer seinem Bücherschrank, Malsachen und ein paar Kleidern NICHTS. Bücher, die er nicht mehr braucht, gibt er den Kleinen oder Selim zum Verkaufen. Er teilt sich meinen alten Computer mit den Kleinen und hat ein Handy, aber keinerlei Spielsachen, Staubfänger oder sonstigen Besitz. Sollte er irgendwann ausziehen, ist das in zwei Stunden bewerkstelligt. Das finde ich klasse, vielleicht schaffe ich es ja irgendwann auch mal, mich von der Bürde des Besitzes zu befreien.
Alles Liebe,
Eva